Herausforderungen barrierearmer Gestaltung in IT-Projekten nach den Prinzipen des Universal Design

Teil 1: Herausforderungen barrierearmer Gestaltung nach den Prinzipen des Universal Design


In den letzten Jahren hat die nutzerorientierte Konzeption in der Entwicklung interaktiver Systeme an Bedeutung gewonnen. Durch die Etablierung iterativer und agiler Vorgehensmodelle wie der partizipativen Softwareentwicklung [0] wird Aspekten wie Nutzungsfreundlichkeit, Gebrauchstauglichkeit und Zugänglichkeit mehr Beachtung geschenkt. Sie haben sich zunehmend als Wirtschaftsfaktoren in kommerziellen Konzeptionsprozessen entwickelt. So setzen Softwarefirmen wie Microsoft™ und Apple™ bei der Entwicklung von Software auf Nutzerfeedback aus der Internet-Community. Beispielsweise stellt Microsoft™ Vorab-Versionen neuer Betriebssysteme als so genannte "Technical Previews" jedem interessierten Nutzer kostenfrei zur Verfügung. Diese Versionen sind mit einem Feedback-System ausgestattet, das automatisiert umfangreiche Informationen über die Nutzung sammelt. Microsoft™ erhält somit anhaltende Evaluationen während der Entwicklungsphase. Die Abbildung 1 zeigt den sichtbaren Teil des Feedback-Systems des Office-Pakets "Microsoft™ Office 2013" in der BETA-Phase.

Abb. 1: Feedback-System von Microsoft™ Office 2013 in der Beta-Phase der Entwicklung. Über das Versenden von Smileys kann der Nutzer positives und negatives Feedback aus der Anwendung heraus versenden.

Diese Art von Feedback ist jedoch auf die aktive Mitarbeit von interessierten Nutzern angewiesen. Jedoch wird der Erkenntnisgewinn, der z. B. durch direkten Kontakt mit Probanden in qualitativen Nutzerstudien, wie sie eresult nahezu täglich durchführt, immer noch nicht ausreichend berücksichtigt. So muss konstatiert werden, dass ein Großteil der Auftraggeber die Bedürfnisse der Nutzer nicht oder nicht früh genug im Entwicklungsprozess berücksichtigt [1]. Insbesondere Menschen mit Einschränkungen werden selten bis gar nicht in den Konzeptions- und Feedbackprozessen einbezogen.

Jedoch haben sie durch die seit 2008 geltende UN Konvention "Rights of Persons with Disabilities" die Möglichkeit, ihr Grundrecht auf Teilhabe an der Gesellschaft uneingeschränkt wahrzunehmen. So muss in allen Lebensbereichen eine barrierefreie Umgebung geschaffen werden, was auch die Techniknutzung einschließt [2]. Gefordert ist ein universelles Design, das für alle Menschen gleichermaßen gut nutzbar ist. Mit anderen Worten, Menschen mit Behinderungen sollen Technik ohne Spezialzugänge oder Insellösungen nutzen können.
 

Exkurs: Universal Design

Der nutzerzentrierte Gestaltungsansatz wird im Kontext der Entwicklung von Schnittstellen für Menschen mit Einschränkungen auch als Inklusives Design, Universal Design oder Design für Alle bezeichnet.
Das Konzept Universal Design geht auf den US -amerikanischen Architekten Ronald L. Mace zurück. Es meint weder Standardisierung noch Uniformität von Produkten.
Optimalerweise erfüllt eine Schnittstelle dessen sieben Prinzipien. Diese können in drei Hauptgruppen untergliedert werden:

Prinzipien, die Mensch und Prozess überschreiten

  • Prinzip 1: Breite Nutzbarkeit

Prinzipien, die sich in erster Linie mit dem Menschen befassen

  • Prinzip 3: Einfache und intuitive Benutzung
  • Prinzip 4: Sensorisch wahrnehmbare Informationen
  • Prinzip 6: Niedriger körperlicher Aufwand

Prinzipien, die sich in erster Linie auf den Prozess beziehen

  • Prinzip 2: Flexibilität in der Benutzung
  • Prinzip 5: Fehlertoleranz
  • Prinzip 7: Größe und Platz für Zugang und Benutzung


Die Gründe für den fehlenden Einbezug sind vielfältig. So erweist es sich immer noch als besonders problematisch, zum einen die richtigen Informationen über die Endnutzer zu sammeln, und zum anderen die gewonnenen Erkenntnisse in den Entwicklungsablauf zu integrieren. So schränken eine enge Terminplanung und begrenztes Budget die Möglichkeiten der Einbeziehung von Nutzern in den Konzeptionsprozess generell ein [3]. Auch Methoden aus der Wissenschaft, die eine genaue Analyse der Nutzerbedürfnisse ermöglichen, werden für kommerzielle IT-Projekte nur langsam adaptiert (vgl. ebd.). Nachfolgend werden diese Aspekte beleuchtet, die besonders in Konzeptionsprozessen kommerzieller interaktiver Systeme dafür sorgen, diese wenig nutzerzentriert ablaufen zu lassen. Hierzu werden Erkenntnisse aus einer britischen Studie von Langdon et al. [1] genutzt. Diese hat sich mit der Erforschung des Konzeptions- und Entwicklungsprozesses interaktiver Systeme auseinandersetzt. Hierzu wurden in leitfadengestützten Einzelinterviews elf Industrieentwickler mit durchschnittlich zehn Jahren Berufserfahrung aus dem Industriebereich zu ihren Projekterfahrungen befragt.
 

Problem 1: unzureichende Planung von Ressourcen und Abläufen im Vorfeld

Es sind ökonomische Aspekte wie die fehlende Zeit für eine ausführliche Planung sowie ein begrenztes Budget, welche die Grundlage vieler Probleme bilden [1]. So wird die Bedeutung einer Planungsphase im Vorfeld des Entwicklungsprozesses oft vernachlässigt und der Nutzer - wenn überhaupt - spät darin einbezogen. Nachträgliche Änderungen an der Kosten- und Ressourcenplanung sind dann in einer fortgeschrittenen Phase des Projektes meist sehr teuer, weshalb auf eine nachträgliche Korrektur der Planung häufig verzichtet wird.
 

Problem 2: ungenaues Briefing und unvollständige Nutzerinformationen

Je nach Methode erhalten die Entwickler ein Briefing, welches als Hauptquelle für Informationen zu dem neuen Produkt oder der Dienstleistung sowie der Zielgruppe und deren Spezifikationen dient. Dabei ist das Briefing hauptsächlich begrenzt auf allgemeine Marktinformationen. Die Anforderungen und Erwartungen an das System aus Nutzersicht werden dabei nicht klar genug benannt. Nutzer werden als Konsumenten betrachtet. Informationen über diese werden in Form von Zielmärkten weitergegeben, die eher von einer allgemeinen demografischen Sichtweise geprägt sind als von einer genauen Eigenschaftsbeschreibung. Es wird den Entwicklern häufig überlassen, durch Zeit- und Kosteninvestition adäquate Daten nachträglich zu recherchieren.
 

Problem 3: mangelnde Berücksichtigung von Zugänglichkeit und Gebrauchstauglichkeit

Zugänglichkeit und Gebrauchstauglichkeit sind nur einige unter vielen Anforderungen, die nicht immer bindend eingearbeitet werden müssen. Die Interviewten gaben an, dass die Anforderungen wie Zugänglichkeit und Gebrauchstauglichkeit nur ein Teil wären, den sie zu beachten hätten. Demnach ist die Konzeption eine Kompromiss-Aktivität. Bei jeder Entscheidung müssen Zeit und Kosten aufs neue abgewogen werden, oft zuungunsten des Nutzers:

"User requirement is not a special requirement above the others, which means that designers have to balance the user's needs with functionality, manufacturing, maintenance, environmental aspects, aesthetics and other requests." [1, S. 152]

Eine gesetzliche Verpflichtung, Software-Schnittstellen generell an die Bedürfnisse von Menschen mit Einschränkungen anzupassen, existiert nicht. Ist sie ein Teil der Projektanforderungen, so werden hauptsächlich ergonomische Daten, Richtlinien oder Spezifikationen aus der Literatur und dem Internet recherchiert (vgl. ebd.). Diese seien jedoch häufig zu allgemein oder treffen nicht auf die Nutzergruppe mit ihren individuellen Einschränkungen zu. Stattdessen sind ergonomische Daten in den meisten Fällen auf einen agilen Durchschnitts-Nutzer ausgelegt. Deshalb werden fehlende Informationen von den Entwicklern meist durch eigenständige Evaluationen ergänzt (vgl. ebd.). Dabei ist es jedoch generell schwierig, Nutzer zu finden, die in das verlangte Zielgruppenprofil fallen. Durch Eigen-Evaluationen wird versucht, diesen Umstand zu kompensieren, was ein wesentliches Problem darstellt. Entwickler sind dabei auf ihre Wahrnehmung beschränkt. Es ist nicht möglich, die Fähigkeiten und Einschränkungen anderer vollumfänglich zu simulieren. Als Ersatz für echte Evaluationen werden Ansätze genutzt, die es ermöglichen, Einschränkungen nachzuempfinden, beispielsweise über Altersanzüge wie dem "Age Explorer". Diese funktionieren nach dem Prinzip der Bewegungs- und sensorischen Einschränkung (vgl. ebd.).

Abb.2: Age Explorer, Quelle: Blum.com

Darüber hinaus können Schnittstellen anhand computerbasierter Simulationen getestet werden, zum Beispiel mit dem "Exclusion Calculator" (Abbildung 2) oder dem "Impairment Simulator" (Abbildung 3) der Universität Cambridge, welche die mögliche Exklusion durch Angabe der Einschränkungen berechnen (vgl. ebd.). Diese Techniken bieten jedoch keinen Ersatz für die Einbeziehung realer Nutzer mit Einschränkungen.

Abb.3: Exclusion Calculator, Quelle: inclusivedesigntoolkit.com

Problem 4: fehlende Einbeziehung von Menschen mit Einschränkungen

Wie in Hull et al. [4] berichtet, ist nach Angaben der Standish Group  aus den Jahren 1995, 1996 sowie des Scientific American im Jahr 1994, die Einbeziehung der Nutzer im Konzeptionsprozess der entscheidende Faktor für den Projekterfolg (mit 16 %). Ein Fehlen dieser ist der zweithäufigste Grund (12,4 %) für das Scheitern eines Projektes (nach der unvollständigen Erfassung von Anforderungen mit 13 %).

In den 16 Jahren Projekterfahrung bei eresult, beobachten wir auch heute noch, dass IT-Unternehmen sich schwer tun, Menschen besonderen Bedürfnissen aufgrund der Vielzahl individueller Anforderungen einzubeziehen. Obwohl einige der befragten Entwickler angaben, dass sie die Funktionen eines neuen Konzeptes mit potenziellen Nutzern testen konnten, sind Ältere oder Nutzer mit Einschränkungen regelmäßig nicht Teil der Konzeption. Dies sei selbst in Projekten der Fall, wo sie die Zielgruppe waren: "[…] even when I worked in companies that project things specifically for the elderly, it was rare in the extreme anybody who was elderly would be involved in the process […] the users were not part of the process […]." [1, S.149]
 

Problem 5: fehlende Expertise im Umgang mit Menschen mit Einschränkungen

Aufgrund der besonderen Zielgruppe müssen Entwickler Erfahrung im Umgang mit den individuellen Einschränkungen der Nutzer sowie angepasster Testmethoden der Software-Ergonomie besitzen, was die Entwicklung von Schnittstellen zu einer finanziellen und personellen Herausforderung werden lassen kann [5]. Neben den ökonomischen Aspekten können auch politische oder Marketing-Probleme eine nutzerzentrierte Konzeption beeinflussen. Oft muss das Management erst vom Mehrwert der Einbeziehung der Nutzer überzeugt werden [6].

eresult baut verstärkt den Bereich UX Design sowie unser interdisziplinäres Team aus, um weiterhin die Anforderungen von Nutzern und Kunden vollumfänglich zu berücksichtigen. Dies ermöglicht es uns, den User Centered Design Ansatz (UCD) so an die Bedürfnisse der Nutzer anzupassen, dass Anforderungen wie Barrierefreiheit ebenso berücksichtigt werden können.
 

Teil 2: Konzeption einer barrierearmen Schnittstelle am Beispiel einer Videotelefonieschnittstelle

Hintergrund & Ziel des Projektes

Die eingangs erwähnte UN-Konvention ermöglicht seit dem Jahre 2008 eine Quasi-Verpflichtung von Unternehmen, Schnittstellen nach den Prinzipien des Universal Design barrierearm zu gestalten. Videotelefonie bietet für Menschen mit kognitiven Einschränkungen eine hervorragende Möglichkeit, soziale Kontakte zu halten und trägt so maßgeblich zur Inklusion bei [6]. Eine wesentliche Leistung der Videotelefonie besteht darin, räumliche Distanz zu überwinden und Gemeinsamkeit erfahrbar werden zu lassen. Da die Bedienung verbreiteter Systeme (z. B. Skype) [7] [8] Menschen mit kognitiven Einschränkungen oftmals vor große Herausforderungen stellt, bietet sich der Bereich Videotelefonie in besonderer Weise als Anwendungsdomäne für die Entwicklung und Erforschung neuer Methoden zum Universal Design an.

Vor diesem Hintergrund wurde in Kooperation mit dem PIKSL-Labor  ein neuartiges Konzept für eine Videotelefonie-Schnittstelle entwickelt. Diese soll, im Sinne eines universellen Designs, besonders einfach und intuitiv nutzbar sein, und damit auch (aber nicht nur) für Menschen mit kognitiven Einschränkungen geeignet sein.


Abb. 4: Illustrationen der Probanden zur Metapher "Freundeskreis" als Schnittstelle für eine Videotelefonie-Anwendung, die in einem Konzeptions-Workshop mit Probanden der Zielgruppe entwickelt wurden.

Abb. 5: Statischer Low-Fidelity-Prototyp der Schnittstelle, erstellt mit Balsamiq

Abb. 6: Interaktiver Low-Fidelity-Prototyp, erstellt mit Axure RP

 

Abb. 7: Assistenz-Situation: Embodied Conversational Agent Billie erklärt die Oberfläche „Freundeskreis“. Die spezifischen Objekte werden bei der Erklärung hervorgehoben

Abb. 8 und 9: Interaktiver High Fidelity Prototyp, der den Freundeskreis als ein zentrales Element der neuentwickelten Schnittstelle und das Assistenzsystem in Form eines virtuellen Agenten zeigt.

Abb. 10: Interaktiver High-Fidelity-Prototyp: Angepasster Prozess zum Hinzufügen eines Kontaktes. Zunächst entscheidet der Nutzer sich für eine Methode. Anschließend gibt er die Daten ein. Das System sucht nach dem Kontakt in Facebook oder Skype-Netzwerk und fügt diesen mit Feedback an den Nutzer hinzu.

Angewendete Methode(n)

Es kam ein iterativer, nutzerzentrierter Entwicklungsprozess nach DIN EN ISO 9241-210 [9] zum Einsatz, der sich insbesondere dadurch auszeichnete, dass Menschen mit kognitiven Einschränkungen intensiv eingebunden wurden. Zunächst wurden im Rahmen einer Fokusgruppe die Vorstellungen und Bedürfnisse der Zielgruppe ermittelt. Auf Basis erster Ideen visualisierten die Probanden aus ihrer Sicht passende Schnittstellen. So konnte eine für alle Probanden verständliche Metapher als Grundlage des Konzeptes extrahiert werden (Abbildung 4). Ergänzend dazu wurde die Nutzung der verbreiteten Videotelefonie-Schnittstelle Skype™  mittels eines Usability-Tests (Thinking-Aloud) evaluiert. Die Probanden führten dazu fünf prototypische Aufgaben mit der Skype- Nutzerschnittstelle aus und es wurden verschiedene Metriken der Gebrauchstauglichkeit erhoben (Time on Task, Klickrate, Abschlussrate, Fehler, System Usability Scale, Single Ease Question). Basierend auf diesen Daten wurden Nutzerbedürfnisse analysiert, die als Basis in die Entwicklung des neuen Konzeptes eingingen. Die Einschränkungen der Nutzer wurden dabei mit Hilfe der Fähigkeiten-Einschränkungsmatix nach Jokisuu et al. [10] analysiert und so kategorisiert, dass Designer mit Hilfe eines einfachen Rankings Implikationen für die Gestaltung des Interfaces ableiten konnten. Das Konzept wurde zunächst in Form eines statischen Low-Fidelity Prototypen mit Balsamiq umgesetzt, welcher im weiteren Verlauf zu einem interaktiven High-Fidelity Prototypen mit Axure RP weiterentwickelt wurde. In den Abbildungen 5 bis 9 ist die Entwicklung des Prototypen dargestellt. Dabei wurden zentrale Usability-Prinzipien[11] sowie Richtlinien für Barrierefreiheit [12] berücksichtigt. Zur besonderen Unterstützung der Nutzer wurde zudem ein Assistenz-Konzept in Form eines virtuellen, konversationalen Agenten zur situativen Hilfestellung integriert (Abbildung 9). Dieser Agent unterstützt die Nutzer bei der Bedienung, indem er bei Bedarf multimodale Erklärungen und Hilfestellungen anbietet, die speziell darauf abzielen, das Mentale Modell des Nutzers aufzubauen [11]. Für Nutzer mit kognitiven Einschränkungen ergibt sich der Vorteil, gemeinsam mit dem virtuellen Agenten die Problemlösungen nachzuvollziehen und so die Schnittstelle zu erforschen. Um die Kontrolle der Interaktion beim Nutzer zu belassen, kann dieser den Assistenten bei Bedarf aktivieren bzw. deaktivieren. Weiterhin wurden zentrale Funktionen wie das Hinzufügen von Kontakten überarbeitet und vereinfacht, was in Abbildung 10 zu sehen ist. Der interaktive Prototyp wurde schließlich einem evaluierenden Usability-Test mit drei Probanden der Zielgruppe unterzogen. Dieser Test war methodisch weitgehend mit dem Skype-Test identisch, um eine Vergleichbarkeit der beiden Schnittstellen zu ermöglichen. Die dabei aufgedeckten Usability-Probleme und Anregungen der Nutzer wurden schließlich in eine optimierte Version des bestehenden Prototypen eingearbeitet, die in Abbildung 8 zu sehen ist.
 

Studienergebnisse

Die Ergebnisse der Evaluations-Studie haben eine positive Wirkung des entwickelten Konzeptes im Vergleich zur Nutzung von Skype gezeigt. So stieg beispielsweise der Anteil der erfolgreich und ohne Hilfe abgeschlossenen Aufgaben von 50 % auf 67 % für das Schreiben einer Nachricht, von 75 % auf 100 % für das Anrufen eines Kontaktes, von 50 % auf 100 % für das Regulieren der Lautstärke und von 25 % auf 33 % für das Hinzufügen eines Freundes.
 

Fazit und praktische Implikationen

Es wurde im 1. Teil des Artikels dargelegt, dass die Anforderungen an eine barrierearme Konzeption in seltenen Fällen berücksichtigt werden, wofür meist Kostengründe, fehlende fachliche Kenntnisse sowie Zeitmangel verantwortlich sind. Gelegentlich evaluieren sich Entwickler selbst, um die fehlende Einbeziehung von Nutzern mit Einschränkungen zu kompensieren. Dies führt jedoch auch zu Schnittstellen, die von den Benutzern abgelehnt werden, was mit dem Scheitern des Projektes gleichzusetzen ist. Die Analyse Mentaler Modelle kann helfen, das Verständnis der Nutzer von der Schnittstelle besser nachzuvollziehen. Geeignete wissenschaftliche Methoden finden jedoch wenig Anwendung. Sie sind schwierig in einen von wirtschaftlichen Aspekten geprägten Prozess integrierbar.

Zwar wurden mittlerweile einfacher durchzuführende Methoden entwickelt, sie wurden jedoch wenig für einen von ökonomischen Ressourcen geprägten Software-Entwicklungsprozess angepasst und evaluiert. Der Projekterfolg ist also maßgeblich von der Einbeziehung der Zielgruppe in den Entwicklungsprozess sowie einer genauen Anforderungsanalyse abhängig.

Das im zweiten Teil des Artikels dargestellte Projekt der Konzeption einer barrierearmen Videotelefonie-Schnittstelle trägt zunächst zur ergonomischen Gestaltung von Nutzerschnittstellen im Bereich der Videotelefonie bei und zeigt auch für derzeit verbreitete Systeme wie Skype Potentiale auf, diese einfacher bedienbar zur gestalten. Darüber hinaus liefert die Integration eines virtuellen Agenten zur Assistenz der Nutzer einen Anwendungsfall für die Kombination eines verkörperten Agenten mit Elementen grafischer Benutzeroberflächen, wie sie von Kulms et al. [13] vorgeschlagen wurde, um die Vorteile dieser beiden unterschiedlichen Interaktionsformen auszunutzen. Schließlich leistet die Arbeit auch einen methodischen Beitrag zum nutzerzentrierten Design von Mensch-Maschine-Schnittstellen. Sie zeigt, dass kognitiv beeinträchtigte Menschen sinnvoll in den Entwicklungsprozess einbezogen werden können und so einen wertvollen Beitrag zur Technikgestaltung im Sinne des universellen Designs liefern können.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Projekt: "Eine Videotelefonie-Schnittstelle mit Assistenz-System für Menschen mit kognitiven Einschränkungen - Analyse, Konzept, Prototyp und Evaluation nach nutzerzentrierten Faktoren". Die vollständige Projektdokumentation erhalten Sie gerne auf Anfrage per E-Mail an paul.pagel@eresult.de

Quellen:

[0] Weidner, C. (2013): Die ungehobenen Schätze der IT. In: Christa Weidner (Hg.): Let's do IT. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg (Xpert.press), S. 1-13.

[1] Langdon, Patrick; Clarkson, John; Robinson, Peter; Lazar, Jonathan; Heylighen, Ann (Hg.) (2012): Designing Inclusive Systems. Designing Inclusion for Real-world Applications. London: Springer London. Online verfügbar unter dx.doi.org/10.1007/978-1-4471-2867-0.


[2] Nordrhein-Westfalen Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (2008): Behindertengleichstellungsgesetz Nordrhein Westfalen-Umsetzung und Anwendung in der Praxis-§ 4 Barrierefreiheit. (4., erw. Aufl. ed.). Düsseldorf.
[3] Goodman-Deane, J.; Langdon, P. M.; Clarkson, P. J. (2010): Key influences on the user-centred design process. In: Journal of Engineering Design 21 (2,3), S. 345-373.

[4] Hull, E.; Jackson, K.; Dick, J. (2011): Requirements engineering. 3. ed. London: Springer. Online verfügbar unter www.loc.gov/catdir/enhancements/fy1402/2010937427-d.html.


[5] GUIDE (2014): GUIDE - Gentle User Interfaces for Elderly People. European Commission. Online verfügbar unter www.guide-project.eu, zuletzt geprüft am 14.11.2014.


[6] Davidson, M. J.; Dove, L.; Weltz, J. (1999): Mental Models and Usability. Depaul University, Cognative Psychology 404. Chicago. Online verfügbar unter www.lauradove.info/reports/mental%20models.htm, zuletzt aktualisiert am 04.01.2002, zuletzt geprüft am 04.06.2014.


[7] Smith, C. (2014): By the Numbers: 14 Amazing Skype Statistics and Facts. DMR Digital Marketing Ramblings. Online verfügbar unter expandedramblings.com/index.php/skype-statistics/, zuletzt aktualisiert am 28.07.2014, zuletzt geprüft am 13.08.2014.


[8] Scelfo, J. (2011): The Comfort of One's Screen. Video Chat Reshapes Domestic Rituals. In: New York Times 2011, 22.12.2011, S. D1. Online verfügbar unter www.nytimes.com/2011/12/22/garden/video-chat-reshapes-domestic-rituals.html, zuletzt geprüft am 11.08.2014.


[9] Schneider, W. (Hg.) (2008): Ergonomische Gestaltung von Benutzungsschnittstellen. Kommentar zur Grundsatznorm DIN EN ISO 9241-110. 2., vollst. überarb. Aufl. Berlin: Beuth (Beuth-Kommentar Informations-, Kommunikationstechnik).
[10] Jokisuu E, Langdon PM and Clarkson PJ (2012). A Framework for Studying Cognitive Impairment to Inform Inclusive Design. In: Langdon P, Clarkson J, Robinson P, Lazar J and Heylighen A (eds) Designing Inclusive Systems: Designing Inclusion for Real-world Applications. London: Springer London, pp. 115-124.
[11] Norman, Donald A. (2014): Some Observations on Mental Models. In: Dedre Gentner und Albert L. Stevens (Hg.): Mental Models. Hoboken: Taylor and Francis, S. 7-14.
[12] Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit e. V. (BKB) (2011): Barrierefreiheit für Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Kriterienkatalog: BKB.
[13] Kulms, P., van Welbergen, H., & Kopp, S. (2014): Prototyping von intuitiven und interaktiven Benutzerschnittstellen: Schnelles und einfaches Design von Anwendungen mit virtuellen Agenten. In W. Robert & R. Tobias (Eds.): Erste Transdisziplinäre Konferenz "Technische Unterstützungssysteme, die die Menschen wirklich wollen" (S. 30-38). Hamburg: Helmut-Schmidt-Universität.
 

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Paul Pagel

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Pagel, Paul (2016): Herausforderungen barrierearmer Gestaltung in IT-Projekten nach den Prinzipen des Universal Design, In: Forschungsbeiträge der eresult GmbH

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