Der Human Centered Design Prozess: Gestalten für und mit Menschen

Ein nutzerzentrierter Prozess ist essenziell für erfolgreiche Produkte. Der UX-Design-Prozess nach ISO 9241-210 bietet einen klar strukturierten Rahmen. Lernen Sie die sechs Phasen kennen – und wie Sie sie in modernen Projekten effektiv anwenden.

Autor*in: redaktionsteam

Veröffentlicht: Zuletzt aktualisiert:

Kategorie: UX Design

15 Min. Lesezeit

Die Entwicklung erfolgreicher Produkte und Services erfordert einen klar definierten Prozess, der die Bedürfnisse von Nutzenden konsequent in den Mittelpunkt stellt. Der UX-Design-Prozess (User-Experience-Design-Prozess) nach DIN EN ISO 9241-210 – oft auch als Human Centered Design (HCD) bezeichnet – bietet hierfür einen praxisbewährten Rahmen. Er gliedert sich in sechs Phasen, von der Planung über die Kontextanalyse bis hin zur Evaluation und finalen Umsetzung. Durch diese Struktur stellen wir sicher, dass UX-Maßnahmen nicht dem Zufall überlassen bleiben, sondern systematisch und nutzerzentriert ablaufen.

Doch was verbirgt sich genau hinter diesem Prozess? Wie unterscheiden sich UX Design und Human Centered Design? Und wie lässt sich der klassische HCD-Prozess in modernen, agilen Projekten anwenden?

UX Design vs. Human-Centered Design – worum geht es?

Die Begriffe User Experience (UX) Design und Human Centered Design (HCD) werden häufig synonym verwendet, sind aber nicht völlig identisch. UX Design konzentriert sich in erster Linie auf die Benutzererfahrung – also darauf, Produkte und Interfaces so zu gestalten, dass sie für Anwender*innen möglichst intuitiv, effizient und ansprechend sind.

Der Human Centered Design-Ansatz geht noch einen Schritt weiter: Er betrachtet neben den Endnutzer*innen auch das gesamte Umfeld eines Produktes oder Services – inklusive Geschäftsziele, technologische Rahmenbedingungen, sowie soziale und kulturelle Faktoren. HCD zielt darauf ab, ganzheitliche Lösungen zu entwickeln, die nicht nur für einzelne Benutzende, sondern auch im Kontext ihres Einsatzes und für die Gesellschaft sinnvoll und wertvoll sind.

Man kann sagen: Der UX-Design-Prozess ist ein zentraler Bestandteil des Human Centered Design. HCD bildet den umfassenden Rahmen, innerhalb dessen UX-Design die konkrete Ausgestaltung der Benutzererfahrung übernimmt. In der Praxis werden die Begriffe oft austauschbar genutzt. Wichtig ist jedoch, stets die Perspektive der Menschen – der Nutzer*innen und aller Beteiligten – konsequent zu berücksichtigen. Aus diesem Grund spricht man heute vermehrt von menschenzentrierter Gestaltung (Human Centered Design) statt wie früher von benutzerzentrierter Gestaltung (User Centered Design). Letzteres fokussierte vor allem auf die Endnutzer, während HCD explizit alle Stakeholder und den Nutzungskontext mit einbezieht.

Der 6-stufige Human-Centered-Design-Prozess

Nach ISO 9241-210 durchläuft ein UX-Projekt iterative Aktivitätsphasen, um Schritt für Schritt zu einer optimierten Lösung zu gelangen. Die sechs Schritte lassen sich wie folgt beschreiben:

  1. Planung der menschzentrierten Gestaltung: Rahmenbedingungen und Ziele für den UX-Prozess festlegen.
  2. Nutzungskontext verstehen und beschreiben: Die Nutzerinnen, ihre Aufgaben und Umgebung erforschen.
  3. Nutzungsanforderungen spezifizieren: Aus den Erkenntnissen konkrete Anforderungen ableiten.
  4. Gestaltungslösungen entwickeln: Konzepte, Prototypen und Designentwürfe erstellen.
  5. Gestaltungslösungen evaluieren: Entwürfe mit Nutzerfeedback überprüfen und verbessern.
  6. Finale Gestaltungslösung: Die finale Lösung ausliefern, welche die Anforderungen erfüllt.
Infografik die die vier Phasen des User-centered Design als iterativen Prozess darstellt.
Abb. 10. Der User-centered Design Prozess nach DIN EN ISO 9241-210

Wie die Darstellung verdeutlicht, sind insbesondere die Schritte 2–5 iterativ angelegt: Auf Basis von Nutzungsforschung und Anforderungen werden Designlösungen entwickelt und mit Nutzer*innen getestet – die Ergebnisse fließen wiederum in Verbesserungen ein. Dieses Vorgehen wird so lange wiederholt, bis eine Lösung gefunden ist, die den festgelegten Anforderungen genügt und ein optimales Nutzererlebnis bietet. Die Phasen 1 und 6 rahmen den Prozess ein: Am Anfang steht die Planung und am Ende die Übergabe der finalen Lösung in die Umsetzung.

1. Planung der menschzentrierten Gestaltung

Jedes erfolgreiche UX-Projekt startet mit einer soliden Planung. In dieser ersten Phase legen wir den Grundstein, damit alle weiteren Schritte zielgerichtet und koordiniert ablaufen. Zunächst werden die Ziele des Projekts klar definiert: Welches Problem soll gelöst werden? Welche Kennzahlen oder Kriterien markieren den Erfolg? Ebenso wichtig ist es, den Scope abzustecken – also welche Produkte, Plattformen oder Funktionen im Projekt betrachtet werden (und welche nicht).

Ein weiterer Aspekt der Planungsphase ist die Identifikation aller Stakeholder. Dazu zählen natürlich die Endnutzer*innen, aber auch Kund*innen, Auftraggeber*innen, Entwickler-Teams, Designer und weitere Beteiligte im Unternehmen. Alle diese Parteien müssen frühzeitig eingebunden oder zumindest berücksichtigt werden.

Zudem stellt sich die Frage nach den Ressourcen: Stehen genügend personelle Kapazitäten, Budget, Zeit und passende Tools zur Verfügung, um einen nutzerzentrierten Prozess durchzuführen? Falls im Unternehmen noch wenig UX-Erfahrung vorhanden ist, kann es sinnvoll sein, zunächst in UX-Strategie-Workshops oder Schulungen zu investieren, um ein gemeinsames Grundverständnis zu schaffen.

Praktisch bedeutet Planung auch, einen Projektplan für die UX-Aktivitäten zu erstellen. Darin werden die einzelnen HCD-Phasen mit Meilensteinen, Zeitplänen und Verantwortlichkeiten festgehalten. Es ist ratsam, von Anfang an Mechanismen zur Qualitätssicherung einzuplanen – beispielsweise regelmäßige Reviews der Zwischenergebnisse – damit der Fokus auf den Nutzerbedürfnissen nicht verloren geht.

Insgesamt sorgt eine durchdachte Planung dafür, dass der menschenzentrierte Gestaltungsprozess fest im Projekt verankert ist.

Zwei Mitarbeitenden stehen an einem Whiteboard und beschriften dieses, während eine Kollegin im Vordergrund an ihrem Laptop etwas aufschreibt.

2. Nutzungskontext verstehen und beschreiben

Phase 2 zielt darauf ab, den Nutzungskontext umfassend zu verstehen – also die Rahmenbedingungen, unter denen Menschen ein Produkt verwenden. Dazu gehören Fragen wie:

  • Wer sind die verschiedenen Zielgruppen und was charakterisiert sie?
  • Welche Aufgaben und Ziele verfolgen die Nutzerende bei der Nutzung des Produkts?
  • In welcher Umgebung (physisch, technisch, sozial) findet die Nutzung statt?
  • Gibt es verschiedene Nutzungsszenarien oder -kontexte, und welche Auswirkungen haben sie auf das Nutzerverhalten?

Je mehr wir über die späteren Anwender*innen und ihren Kontext wissen, desto gezielter können wir das Design darauf ausrichten.

Um den Nutzungskontext zu erfassen, kommen diverse UX-Research-Methoden zum Einsatz. Häufig starten wir mit qualitativen Interviews oder Beobachtungen (z. B. Contextual Inquiry), um Nutzer*innen in ihrem realen Umfeld kennenzulernen. Ergänzend können Online-Umfragen hilfreiche quantitative Daten liefern – etwa um Annahmen zu validieren oder einen größeren Nutzertrend zu erfassen. Eine bewährte Vorgehensweise ist auch die Erstellung von Personas und Customer Journeys.

Diese Methoden „geben den Nutzergruppen ein Gesicht“ und helfen dem gesamten Team, sich ein gemeinsames Bild der Zielgruppen zu machen. Die gewonnenen Erkenntnisse – etwa typische Bedürfnisse, Schmerzpunkte (Pain Points) und Erwartungshaltungen – werden dokumentiert und fließen direkt in die nächste Phase ein.

Ein Ablaufdiagramm, das den Prozess der Erstellung von Customer Journey Maps und Personas in fünf Phasen beschreibt: Auftaktworkshop, quantitative Erhebung, Customer Journey Mapping, qualitative Erhebung und abschließend Visualisierung und Vermittlung.
Abb. 2. Ablaufdiagramm des Prozess der Erstellung von Customer Journey Maps und Personas in fünf Phasen.

Aus den Untersuchungen des Nutzungskontextes ergibt sich oft ein sehr detailliertes Bild darüber, was Nutzer*innen wirklich brauchen und erwarten. Diese Erkenntnisse bilden die Grundlage, um im nächsten Schritt konkrete Nutzungsanforderungen abzuleiten.

Wichtig ist, diese Analyse ergebnisoffen und gründlich durchzuführen – denn je besser wir die Menschen und ihren Kontext verstehen, desto weniger Risiko laufen wir, am eigentlichen Bedarf vorbei zu entwickeln. Veränderungen oder Fehlannahmen, die erst spät im Projekt erkannt werden, sind meist teuer und aufwändig. Deshalb gilt: Gründliche Recherche und Nutzeranalyse zu Beginn zahlt sich im gesamten weiteren Prozess aus.

3. Nutzungsanforderungen spezifizieren

An diesem Punkt werden die Nutzungsanforderungen – also die User Requirements – abgeleitet und präzisiert, das heißt die Erkenntnisse aus der Recherche in konkrete Anforderungen an das zu gestaltende Produkt oder System übersetzt.

Funktionale Anforderungen definieren

Funktionale Anforderungen beschreiben, welche Funktionen und Inhalte bereitgestellt werden müssen, damit die Nutzenden ihre Ziele effizient erreichen können. Dazu gehören beispielsweise spezifische Features, notwendige Inhalte oder unterstützende Interaktionsmöglichkeiten.

Usability- und User-Experience-Anforderungen festlegen

Neben den Funktionen werden auch qualitative Anforderungen definiert, die sich auf die Nutzungsqualität beziehen. Diese umfassen Kriterien wie Effizienz, Fehlertoleranz und Joy of Use und legen fest, welche Nutzererlebnisse durch das Produkt oder System geschaffen werden sollen.

Ein professionelles Anforderungsmanagement stützt sich dabei auf die gesammelten Daten über Nutzer*innen, Aufgaben und Kontext. Aus Interviews und Beobachtungen lassen sich beispielsweise User Needs ableiten – klare Aussagen darüber, was die Nutzer*innen benötigen oder welche Probleme es zu lösen gilt. Diese werden schriftlich festgehalten, priorisiert und mit den Stakeholdern abgestimmt. Methoden wie eine KANO-Analyse helfen hier, die Anforderungen nach ihrem Einfluss auf die Zufriedenheit zu gewichten (Basisfaktoren, Leistungsfaktoren, Begeisterungsfaktoren).

Wichtig ist, dass am Ende der Phase ein möglichst klarer Steckbrief aller relevanten Anforderungen vorliegt. Dieser dient als Leitplanke für die folgenden Gestaltungsschritte.

Durch die Spezifikation der Nutzungsanforderungen schaffen wir eine verbindliche Grundlage: Alle weiteren Design-Entscheidungen lassen sich auf diese Anforderungen zurückführen. Das verhindert, dass im Eifer des kreativen Prozesses wesentliche Nutzerbedürfnisse aus dem Blick geraten. Zudem ermöglicht ein sauber dokumentierter Anforderungskatalog später die Überprüfung, ob eine entwickelte Lösung die Erwartungen tatsächlich erfüllt.

4. Gestaltungslösungen entwickeln

Die kreative Umsetzungsphase beginnt: Auf Basis der klar definierten Anforderungen wird eine Gestaltungslösung konzipiert. Hier greifen verschiedene Disziplinen ineinander – von Interaction Design über Informationsarchitektur bis zum Visuellen Design. Zunächst werden in Workshops und Brainstorming-Sessions Ideen gesammelt (Ideation). Aus diesen Ideen entstehen erste Konzeptskizzen. Oft werden Wireframes erstellt, um die Grundstruktur der Benutzeroberfläche festzulegen – beispielsweise die Anordnung von Navigationselementen, Content-Blöcken und Funktionen auf den wichtigsten Screens. Wireframes dienen als visuelles Gerüst und Diskussionsgrundlage, bevor ins Detail gegangen wird.

Aufbauend auf einer durchdachten Informationsarchitektur (die man z. B. mit Card Sorting & Tree Testing erarbeitet) wird ein Navigationskonzept entwickelt, das alle Inhalte und Funktionen klar auffindbar macht. In mehreren Iterationen nähert man sich über Prototyping dem späteren Design an: Aus groben Klick-Dummies werden nach und nach detailliertere Prototypen, an denen man schon das Nutzungserlebnis erproben kann. Parallel dazu kümmert sich das Interaktionsdesign um die Feinspezifikation der Abläufe – wie reagiert das System auf welche Eingaben, wie führen die Nutzerwege durch die Anwendung? Das Visuelle Design wiederum sorgt für ein attraktives Look & Feel, passt Farbgebung, Typografie und Layout an das Markenbild an und unterstützt die Usability mit klarer visueller Hierarchie.

Barrierefreiheit und Inklusives Design sind heute (mehr und mehr) unverzichtbare Anforderungen an die Gestaltung digitaler Produkte. Während der Gestaltungsphase sollte deshalb sichergestellt werden, dass die Lösung möglichst viele Menschen erreicht und unterschiedliche Bedürfnisse berücksichtigt.

Ebenso wird alles sorgfältig dokumentiert – z. B. in Styleguides, Design-Systemen oder Prototyp-Spezifikationen –, damit Entwicklerinnen in der nächsten Projektphase die Entwürfe korrekt umsetzen können. In der Praxis entstehen in dieser Phase viele greifbare Ergebnisse: Mockups, klickbare Prototypen oder Design-Vorlagen. Diese machen das zukünftige Produkt bereits erlebbar. (Eine mögliche Illustration hier: Ein Foto eines Teams beim Skizzieren von Wireframes auf einem Whiteboard oder Arbeiten an einem UI-Prototypen, um den kreativen Charakter dieser Phase zu unterstreichen.)

Das Ziel in Phase 4 ist ein ganzheitliches, intuitives Nutzungskonzept, das über reine Gebrauchstauglichkeit hinausgeht und die zuvor definierten Nutzeranforderungen bestmöglich erfüllt. Wichtig zu betonen ist, dass Gestaltung im HCD-Kontext kein einmaliger Schritt ist: Sie ist eng verzahnt mit der vorherigen Analyse und wird in der nächsten Phase durch Nutzerfeedback validiert. So entsteht schrittweise ein Design, das funktional passt und die Nutzer*innen perspektivisch begeistern kann.

5. Gestaltungslösungen evaluieren

In Phase 5 wird die bislang erarbeitete Lösung auf die Probe gestellt. Evaluation bedeutet im UX-Design-Prozess: Wir überprüfen systematisch, ob die Gestaltungslösung tatsächlich die Bedürfnisse der Nutzerinnen erfüllt und ob eventuelle Probleme oder Schwachstellen bestehen. Ohne Evaluation wäre der Prozess nicht menschzentriert – erst durch den Abgleich mit echtem Nutzerfeedback schließen wir den Kreislauf der Iteration.

Je nach Projekt und Fragestellung kommen unterschiedliche UX-Testmethoden in Frage. Wichtig ist, die richtige Methode zum richtigen Zeitpunkt zu wählen. Grundsätzlich unterscheiden wir z. B. zwischen qualitativen Verfahren (detailliertes Feedback, z. B. aus Interviews oder Beobachtungen) und quantitativen Verfahren (messbare Daten, z. B. aus Umfragen oder Web-Analytics). Ebenso gibt es Tests, die mit vielen Teilnehmenden remote durchführbar sind, und solche, die mit kleinerer Stichprobe im Usability-Labor stattfinden. Häufig sind kombinierte Ansätze ideal, um ein umfassendes Bild zu erhalten. Kriterien bei der Auswahl sind u. a. das vorhandene Budget, die Zeit und die Expertise im Team. Auch eine sinnvolle Mischung mehrerer Methoden kann sich anbieten, um unterschiedliche Blickwinkel abzudecken.

Umgebungen eines hybriden UX Tests: Ein Testlabor mit Teilnehmenden vor Ort, ein Beobachtungsraum vor Ort mit einer Person, die eine Live-Übertragung verfolgt, und eine Remote-Beobachtungseinrichtung, die Teilnehmende über einen Videostream zeigt.
Beispiel eines hybriden UX Test Settings im Labor.

Der Usability-Test ist sicherlich die bekannteste und eine der effektivsten Evaluationsmethoden. Dabei beobachten wir echte Nutzerinnen dabei, wie sie definierte Aufgaben mit einem Prototypen oder Produkt durchführen. Probleme in der Bedienung, Verständnisschwierigkeiten oder auch positive Erlebnisse werden dabei sichtbar. Durch Techniken wie Think Aloud (lautes Mitdenken), Videoaufzeichnung, Eye-Tracking oder anschließende Interviews gewinnen wir wertvolle Einsichten. Ein gut durchgeführter Usability-Test deckt meistens schon mit wenigen Teilnehmenden die größten Usability-Probleme auf – und liefert konkrete Anhaltspunkte, wie das Design verbessert werden kann.

Neben klassischen Nutzertests gibt es weitere Evaluationstools: Agile User Feedback Days beispielsweise sind kürzere, in agile Entwicklungs-Sprints integrierte Nutzertests, um schnelles Feedback zu Prototypen oder neuen Features zu erhalten. Auch Expert Reviews (Experten-Evaluationen) kommen zum Einsatz – hierbei beurteilen UX-Expertinnen ein Interface anhand von Heuristiken (z. B. den zehn Usability-Heuristiken nach Nielsen oder der DIN 9241) und ihrer Erfahrung, um Schwachstellen aufzudecken. Des Weiteren können Analytics-Daten, A/B-Tests oder UX-Benchmarkings (Vergleich mit Wettbewerbsprodukten) hilfreiche Erkenntnisse liefern. Entscheidend ist, die Evaluationsmethode immer passend zur Projektphase und Fragestellung zu wählen.

Die Ergebnisse der Evaluation fließen direkt wieder in den Gestaltungsprozess ein: Kein Entwurf ist perfekt, ohne von Nutzenden geprüft zu sein. Häufig zeigen Tests noch unerwartete Hürden oder Ideen zur Optimierung auf. Diese werden aufgenommen und in einer neuen Iteration der Gestaltung (Phase 4) berücksichtigt. Auf diese Weise nähert sich das Produkt Schritt für Schritt der optimalen User Experience. Sobald die Tests jedoch zeigen, dass die Lösung alle definierten Anforderungen erfüllt und bei den Nutzerinnen gut ankommt, sind wir bereit für den Abschluss.

UX-Prozess mit Struktur:

Human-Centered Design in Ihrem Projekt:

Lassen Sie uns gemeinsam erarbeiten, wie Sie den HCD-Prozess effektiv in Ihre Produktentwicklung integrieren können.

Jetzt Beratung anfragen

6. Finale Gestaltungslösung umsetzen

Die sechste und letzte Phase markiert den Übergang zur Umsetzung. Wenn Evaluation und iterative Verbesserungen erfolgreich waren, liegt nun eine finale Gestaltungslösung vor, die den Nutzungsanforderungen gerecht wird. Diese finale Lösung kann je nach Projekt ein detaillierter klickbarer Prototyp, ein vollständiges Design-System oder bereits ein implementiertes Produktinkrement sein. Wichtig ist: Alle Beteiligten haben die Ergebnisse der vorherigen Phasen zusammengeführt, und es besteht ein gemeinsames Verständnis darüber, wie das Produkt aussehen und funktionieren soll.

In dieser Phase geht es darum, die Lösung in die Produktionsumgebung zu überführen. Das Entwickler-Team setzt die entworfenen Konzepte in Code um (sofern nicht parallel schon in einem agilen Prozess entwickelt wurde). Die UX-Designer stehen idealerweise eng im Austausch mit den Entwicklerinnen, um Fragen zu klären und die Qualität der Umsetzung sicherzustellen. Am Ende steht ein Produkt, das marktreif ist oder an die Nutzer ausgeliefert werden kann.

Zwar spricht man in Phase 6 vom „finalen“ Design, dennoch endet der nutzerzentrierte Ansatz hier nicht endgültig. Nach dem Launch sollte die Nutzererfahrung kontinuierlich weiterbeobachtet werden – etwa durch UX-Monitoring (laufendes Feedback, Nutzungsdaten) oder regelmäßige UX-Reviews, um auch langfristig eine hohe Usability und Zufriedenheit sicherzustellen. Der HCD-Prozess versteht sich als Kreislauf: Nach der Umsetzung ist vor der nächsten Verbesserung – ganz im Sinne einer nachhaltigen, nutzerorientierten Produktentwicklung.

Lean UX – agile Evolution des HCD-Prozesses

Im Zeitalter agiler Softwareentwicklung hat sich mit Lean UX ein Ansatz etabliert, der den klassischen HCD-Prozess auf moderne Weise weiterdenkt. Lean UX übernimmt die nutzerzentrierten Prinzipien, passt sie jedoch an schnelllebige Projektumgebungen an. Im Zentrum stehen hier kurze Iterationszyklen, interdisziplinäre Zusammenarbeit und das Motto „Weniger Dokumentation, mehr validiertes Lernen“.

Während ein traditioneller UX-Prozess Phasen hat, die nacheinander geplant sind, setzt Lean UX auf gleichzeitiges und verzahntes Arbeiten: Design, Entwicklung und Nutzerfeedback finden möglichst parallel statt. So werden Ideen in Form von Prototypen sehr schnell getestet, wodurch das Team frühzeitig lernt, was funktioniert und was nicht. Änderungen der Anforderungen oder neue Erkenntnisse lassen sich sofort im nächsten Sprint berücksichtigen – ohne erst große Schleifen durch den gesamten Prozess drehen zu müssen. Das reduziert Verschwendung (Zeit und Aufwand für nicht benötigte Features) und fokussiert das Team auf das, was wirklich Wert liefert.

Der Übergang vom klassischen HCD zu Lean UX lässt sich als natürliche Evolution verstehen. Beide Ansätze haben das Ziel, Produkte zu entwickeln, die optimal an den Nutzerbedürfnissen ausgerichtet sind. Lean UX verwendet hierfür die Lean-Prinzipien (aus der Lean-Startup-Methodik) und kombiniert sie mit der HCD-Grundidee. Zum Beispiel wird weiterhin großer Wert auf User Research gelegt – jedoch häufiger in kleineren Dosen und kontinuierlich. Prototyping und Testing erfolgen “just in time” für die Entscheidungsfindung, statt in einer langen separaten Phase. Und durch ständige Team-Zusammenarbeit – Designer, Entwickler, Produktmanager arbeiten eng verzahnt – bleibt der Nutzerfokus im ganzen Produktteam lebendig. Zudem definiert Lean UX klare Erfolgskriterien (KPIs) zu Beginn, um die getroffenen Annahmen später anhand echter Nutzerdaten zu überprüfen.

Lean UX ersetzt den HCD-Prozess nicht, sondern führt ihn pragmatisch fort. Für Unternehmen bedeutet dies: Wenn klassische UX-Methoden bereits etabliert sind, kann Lean UX helfen, diese schneller und flexibler anzuwenden. Wichtig ist, die Kernprinzipien nicht aus den Augen zu verlieren – ob klassisch oder lean: Die Nutzer stehen im Mittelpunkt, und iteratives Lernen treibt die Verbesserung voran.

Fazit

War es wirklich so „schlimm“, wie es der Name ISO 9241-210 vermuten lässt? Ganz im Gegenteil – wir hoffen, dieser Überblick konnte zeigen: Der UX-Design-Prozess nach Norm ist nicht trocken oder sperrig, sondern ein durchdachtes, flexibles Fundament, das Orientierung und Tiefe zugleich bietet. Vielleicht konnten wir sogar Ihr Interesse für einzelne Methoden oder einen Einstieg ins Thema wecken – zum Beispiel rund um das Testen mit echten Nutzer*innen?

Wir mögen diesen Prozess, weil sich fast jede UX-Maßnahme, die wir begleiten, daran anschließen lässt. Er gibt uns den Rahmen, in dem wir unsere Arbeit sinnvoll verorten können – vom ersten Projekt-Workshop bis zur finalen Designlösung. Es lohnt sich, jede einzelne Aktivität im größeren Zusammenhang zu sehen: Wer die Wechselwirkungen zwischen den Phasen versteht, kann fundiertere Entscheidungen treffen und nachhaltiger gestalten.

Besonders spannend ist aus unserer Sicht, wie gut sich der Prozess in andere Unternehmensbereiche integrieren lässt. Typische agile Produktentwicklungszyklen etwa – ob Scrum, Kanban oder Design Sprints – docken nahtlos an. Aber auch Customer-Experience-Programme, Produktstrategie-Prozesse oder selbst technische Entwicklungsmethoden wie Continuous Delivery können eng mit dem HCD-Prozess verzahnt werden. Gerade durch diese Schnittstellen gewinnt er zusätzliche Relevanz im interdisziplinären Alltag.

Und natürlich ist auch der UX-Prozess selbst nicht in Stein gemeißelt: Methoden entwickeln sich weiter, Teams arbeiten zunehmend crossfunktional, und Lean UX zeigt, wie sich dieser „klassische“ Prozess agil weiterdenken lässt – ohne dabei seinen menschenzentrierten Kern zu verlieren. Das macht ihn besonders wertvoll für moderne Teams, die schnell, aber nicht beliebig arbeiten wollen.

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem HCD-Prozess gemacht – klassisch oder lean? Kommentieren können Sie weiter unten. Wir freuen uns darauf!

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kommentare

0
  • Ein eingeschaltetes Smartphone liegt neben einem Tablet und einer Kaffeetasse auf dem Tisch.

    Veröffentlicht am 10.03.2025 Usability Testing, UX Design

    App Usability: Was macht eine gute App aus?

    Heute bestimmen Mobile Apps unseren Alltag, doch nicht jede App bietet eine gute Nutzererfahrung. Was macht eine gute App aus? Welche Arten gibt es? Dieser Artikel liefert praxisnahe Einblicke und Tipps für eine optimale Usability.

    Weiterlesen
  • Eine detaillierte Persona Sedcard mit einem Foto einer Person, personalisierten Eigenschaften, Nutzungsmotiven, Zielen und Medienpräferenzen.

    Veröffentlicht am 11.02.2025 User Research

    UX Personas: Schlüssel zur nutzerzentrierten Produktentwicklung

    Personas sind ein essenzielles Werkzeug im Human Centered Design. Sie helfen, Nutzende besser zu verstehen und Produkte optimal auf ihre Bedürfnisse abzustimmen. Doch wie erstellt man aussagekräftige Personas und setzt sie effektiv ein?…

    Weiterlesen
  • KI generierte Darstellung einer chinesischen und einer schwedischen Webseite.

    Veröffentlicht am 20.01.2025 UX Design

    Kultur trifft UX – Wie Kultur das UX Design beeinflusst

    Kultur beeinflusst UX: Von Sprache und Farben bis hin zu Symbolen und Designtrends. Warum interkulturelle Kompetenz für UX-Designer entscheidend ist und wie Sie kulturelle Unterschiede erkennen und nutzen können, erfahren Sie hier.

    Weiterlesen