Chancen und Hindernisse für Smart Home-Anwendungen aus verschiedenen Blickwinkeln

Smart Home ist zurzeit ein medial viel beachtetes Thema. In der Fernsehwerbung sieht das dann ganz einfach aus: Mit dem Smartphone werden mal eben Lichter und Heizung gesteuert und alle Türen automatisch abgeschlossen. Technisch gesehen scheinen hier kaum Grenzen gesetzt zu sein.

Doch wie sieht es bei den potentiellen Nutzern aus? Ist hier die Begeisterung ebenso grenzenlos oder hält sie noch etwas davon ab ihr zu Hause voll mit Smart Home-Geräten auszustatten? Der große erhoffte Marktdurchbruch ist mit Smart Home bisher noch nicht gelungen. Wir haben uns dem Thema aus Experten- und aus Nutzersicht genähert.

Interviews mit potentiellen Nutzern

In mehr als 30 Interviews haben wir Probanden, die bisher wenig bis gar keine Erfahrung mit Smart Home-Systemen hatten, dazu befragt, wie interessant entsprechende Produkte für sie in absehbarer Zukunft seien und ob sie Bedenken hätten. Die Altersspanne der Befragten lag zwischen 30 und 67 Jahren und ein Grundinteresse an modernen Medien war bei allen Probanden vorhanden. In den Interviews zeigten wir zu folgenden Produkten jeweils ein Foto und lasen den Probanden einen kurzen Beschreibungstext vor:

  • Kontaktloses Türschloss
  • Video-Gegensprechanlage + Türöffner
  • Heizungssteuerung
  • Lichtsteuerung
  • Alarmsystem mit Kameras

Unser Interesse bei der Studie lag weder auf der Usability der Produkte noch auf einer Bewertung der tatsächlichen technischen Eigenschaften.  Rein die antizipierte Nutzung basierend auf den wenigen von uns gegebenen Informationen war für diese Studie von Interesse: Was erwarten die Probanden hinter solchen Produkten? Würden sie es sich zulegen? Was hält sie möglicherweise davon ab?

Skepsis gegenüber Smart Home-Systemen konnten wir vor Allem in folgenden Bereichen feststellen:
Kein gutes Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen. Es wurde erwartet, dass ein Smart Home-System sowohl viel kostet als auch aufwändig im Einbau ist. Dem gegenüber sahen viele Probanden keinen ausreichenden Gewinn an Komfort.

Sicherheitsbedenken. Vor allem beim kontaktlosen Türschloss zeigten sich mehrere Probanden skeptisch gegenüber Missbrauch durch Dritte (z.B. Hacker), Fehlfunktionen oder versehentlicher Fehlbedienung. Auch sorgten sich viele Probanden um den Datenschutz, da potentiell persönliche Daten ausgelesen werden können und z.B. von außen direkt erkannt werden kann, ob jemand zu Hause ist oder nicht.

Mangelndes Vertrauen in die Technik. Einige Probanden erwähnten, dass sie nicht genug auf die Technik vertrauen, um z.B. die Tür aus der Ferne per Smartphone abzuschließen. Es fehle ihnen physisches Feedback sowie die Möglichkeit den Erfolg der Aktion ausreichend kontrollieren zu können (z.B. indem man noch mal die Türklinke runterdrückt, um zu kontrollieren ob wirklich abgeschlossen ist).

Gefühlter Kontrollverlust. Durch Werbung, persönliches Interesse oder Erzählungen durch Bekannte war einigen Probanden bekannt, dass Smart Home Systeme zum Teil eigenständig Aktionen vornehmen können. Auch ohne damit persönliche Erfahrungen gemacht zu haben, zeigten sich die meisten Probanden dem gegenüber skeptisch, sofern die Automatismen / Algorithmen hinter den automatischen Entscheidungen der Systeme nicht eindeutig verständlich, transparent und anpassbar seien. Zudem wurde mehrfach von klassischen Zeitschaltuhren, die jeden Tag zur selben Uhrzeit eine gewisse Aktion ausführen auf Smart Home Systeme übertragen. Die Probanden schätzten die Technik häufig so ein, dass sie nur gut funktioniere, wenn jeder Tag im Leben exakt gleich abliefe.

Bei den hier genannten Vorbehalten gegenüber Smart Home-Systemen werden sicherlich einige Anbieter und Experten entgegnen, dass die modernen Systeme deutlich sicherer und ausgefeilter sind, als hier beschrieben. Diese Einwände mögen durchaus richtig sein. Doch egal wie gut die modernen Systeme auch sind, die Anbieter müssen mit dieser Art von Vorbehalten umzugehen wissen und es schaffen diese zu entkräften, sofern sie auf einen großen Durchbruch am Markt hoffen.

Multiplikatoren von Smart Home-Systemen

Auch wenn in unseren Interviews durchaus viele kritische und skeptische Einwände gegenüber Smart Home Systemen aufkamen, so hörten wir doch häufig Kommentare wie: "Wenn so ein System schon vorhanden ist, dann benutze ich es auch." - In einigen Fällen hatten Probanden Smart Home nämlich schon bei Bekannten, Freunden oder in Ferienhäusern gesehen und so zumindest erste Erfahrungen gemacht. Möglicherweise läge also darin Potential, wenn z.B. Mietwohnungen bereits mit einer Grundausstattung an Smart Home-Geräten versehen wären oder das Thema bei Neubauten häufiger direkt mit einbezogen werden würde.

Von daher hat es uns interessiert, wie es auf der Seite der Multiplikatoren aussieht, also denjenigen Berufsgruppen, die potentiell zum Thema Smart Home beraten könnten oder solche Systeme selbst installieren. Dem Thema haben wir uns in einer Online-Umfrage genähert, welche von 169 Teilnehmern ausgefüllt wurde.

Überwiegend kamen die Teilnehmer, die mit dem Thema Smart Home beruflich Berührungspunkte hatten, aus den Bereichen Bau/Handwerk (22,5%), Architektur/Bauwesen (19,5%) sowie Energieversorgung (12,4%). Als ein größeres Problem wurden die fehlenden Weiterbildungsmöglichkeiten identifiziert. Potentielle Multiplikatoren haben in der Umfrage zwar fast alle Interesse am Thema Smart Home gezeigt, jedoch mussten sie ihr Wissen dazu größtenteils durch Internetrecherche sowie durch den Austausch mit Kollegen erlangen.

Abb. 1: Hauptsächliche Wege, über die potentielle Multiplikatoren ihre Kenntnisse zum Thema Smart Home erlangt haben. (n = 49, Angaben in %, Mehrfachnennungen möglich)

Dieses Problem spiegelte sich auch in Freitextbemerkungen wider. So fanden sich einige Kommentare wie: "Fachkenntnisse der umsetzenden Branchen fehlen dramatisch" oder "Es gibt kaum Literatur und kaum Seminare".
Als mögliche Hemmnisse zur Entwicklung der Smart Home-Industrie wurden ähnlich zu unseren Nutzer-Interviews vor Allem die Anschaffungskosten sowie die Daten(un)sicherheit genannt.

Abb. 2: Mögliche Hemmnisse zur Entwicklung der Smart Home-Industrie  (n = 169, Angaben in %, Mehrfachnennungen möglich)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass potentielle Multiplikatoren durchaus dazu bereit sind, Smart Home-Systeme zu installieren oder dazu zu beraten, diese jedoch momentan noch größtenteils auf sich alleine gestellt sind, da entsprechende Fortbildungsmöglichkeiten fehlen.

Qualität von Vermarktungsstrategien im Web

Wie in den Interviews gesehen, bestehen auf Seiten der Nutzer einige Vorbehalte und Skepsis gegenüber Smart Home-Systemen, die nicht (mehr) alle den aktuellen Tatsachen entsprechen. Eine der ersten Stationen um sich über Smart Home-Systeme zu informieren, sind die Produkt-Webseiten der entsprechenden Smart Home-Anbieter. In unserer Studie "Smart Home = Smart Journey? Qualität von Vermarktungsstrategien im Web" haben wir diesbezüglich die Seiten der Anbieter Telekom, Qivicon, Apple und RWE analysiert. Dabei fiel auf, dass häufig die technischen Geräte im Vordergrund stehen, woraus sich potentielle Neukunden jedoch nicht ausreichend ein Bild über den persönlichen Nutzen machen können. Interessenten haben viele Fragen und unterschiedliche Bedürfnisse sowie anderes Hintergrundwissen. Um den Interessenten die Smart Home-Technik nahe zu bringen und dabei zu helfen die Technik auf den eigenen Kontext zu beziehen, hilft es bei den Bedürfnissen wie Komfort, Sicherheit und Energiesparen anzusetzen. Von dort aus kann über konkrete Anwendungsfälle erklärt werden, welche Technik dazu konkret gebraucht wird.

Vollständige Studien zu Smart Home

Die vollständigen Ergebnisse der Online-Umfrage "Smarthome-Potenzial durch fehlende Unterstützung von Multiplikatoren gehemmt" sowie der Studie "Smart Home = Smart Journey? Qualität von Vermarktungsstrategien im Web" finden Sie kostenfrei in unserem Download-Bereich: http://www.eresult.de/ux-wissen/downloads/

 

Sind Sie anderer Meinung?

Ihre Rückmeldung zu diesen Überlegungen und Thesen interessiert uns sehr.
Schreiben Sie uns!

Richard Bretschneider

zum Kontaktformular
 

Sie wollen den Forschungsbeitrag zitieren? Gerne können Sie folgende Quellenangabe nutzen:

Bretschneider, Richard (2016): Chancen und Hindernisse für Smart Home-Anwendungen aus verschiedenen Blickwinkeln, In: Forschungsbeiträge der eresult GmbH, URL: http://www.eresult.de/ux-wissen/forschungsbeitraege/einzelansicht/news/chancen-und-hindernisse-fuer-smart-home-anwendungen-aus-verschiedenen-blickwinkeln/


Das könnte Sie auch interessieren:


Relevante eresult-Produkte: